Samstag, Dezember 01, 2012

fußnotenrekursion

wahrscheinlich mit das beste am buch "Internet - Segen oder Fluch" von Kathrin Passig und Sascha Lobo sind die fußnoten. besonders deutlich wird das an der ersten fußnote in kapitel 14 ("Die Urheberrechthaber"):
"Jeanette Hofmann hat schon 2006 im Auftrag der Bundeszentrale für politische Bildung die Textsammlung 'Wissen und Eigentum: Geschichte, Recht und Ökonomie stoffloser Güter' herausgegeben, deren Lektüre die Lektüre aller anderen Texte zum Urheberrecht überflüssig macht. (Eigentlich auch dieses Kapitels, aber wir haben die besseren Fußnoten.)"
wunderschön, diese fußnotenrekursion. und auch inhaltlich ist ihr in jeder hinsicht zuzustimmen.

weitere lesenswerte fußnoten, wenn auch nur im kontext des haupttextes verständlich: 2/3, 5/2, 7/5, 9/10 und 14/8.

Freitag, Oktober 12, 2012

halbvorstellung (2): ‚In Anführungszeichen: Glanz und Elend der Political Correctness ’ von Matthias Dusini und Thomas Edlinger

in der serie halbvorstellung geht es um bücher, die in mancher hinsicht lesenswert sind, denen aber auf halber strecke die luft ausgeht. dieses mal geht es um „In Anführungszeichen“ von Matthias Dusini und Thomas Edlinger (Suhrkamp, 2012).

„In Anführungszeichen“ gliedert sich in zwei teile, einen längeren und lesenswerten ersten teil über „Lautes Leid. Das Opferideal des moralischen Prekariats“ sowie einen kürzeren und eher enttäuschenden zweiten teil über „Narziss als Gott und Dämon der Political Correctness.“

es lässt sich nur darüber spekulieren, wie sehr die beiden autoren beim schreiben arbeitsteilig vorgegangen sind und wer bei welchem teil den lead übernommen hat. klar ist jedenfalls, dass sich die beiden teile nicht nur thematisch und stilistisch unterscheiden, sondern auch in der haltung, die dem gegenstand „Political Correctness“ (PC) gegenüber eingenommen wird.

im ersten teil wird das titelgebende versprechen eingelöst, sowohl glanz als auch elend von PC zu beleuchten. PC und deren kritik beginnt für Edlinger und Dusini erst jenseits von gerichtlich einklagbaren rechten als „soziale[s] und psychosoziale[s] Sprachspiel“ s. 48). nach einer kurzen geschichte des aufkommens von PC und PC-kritik in Europa wagen sich die autoren an die großen PC-themen: antisemitismus, islamkritik, sexismus.

Donnerstag, Oktober 11, 2012

halbvorstellung (1): ‚Schulden: Die ersten 5.000 Jahre’ von David Graeber

in der serie halbvorstellung geht es um bücher, die in mancher hinsicht lesenswert sind, denen aber auf halber strecke die luft ausgeht. den anfang macht das vielbesprochene buch „Schulden. Die ersten 5.000 Jahre“ von David Graeber (Klett-Cotta, 2012).

eigentlich ist Graebers buch über eine polit-ökonomische geschichte von geld und schulden ein schlechtes beispiel für diese Serie, weil es weit über die hälfte hinaus lesenswert, ja horizonterweiternd ist. die ersten 250 seiten sind eine solche schatzkammer an einsichten, überraschungen und irritationen, dass sie alleine schon die anschaffung des 500-seiten-wälzers mehr als rechtfertigen.

grandios, wie Graeber den mythos vom tauschhandel als vorläufer der geldwirtschaft zertrümmert (S. 29). aufschlussreich, wie in mesopotamien bereits tausende Jahre vor Christus regelmäßig schuldenschnitte notwendig waren, um gesellschaftliche fliehkräfte auf grund von überschuldung breiter bevölkerungsschichten in zaum zu halten (S. 65). sehr interessant auch die schilderung von islamischen wirtschaftheorien und der umstand, dass bereits lange vor Adam Smith islamische gelehrte das stecknadelbeispiel als beleg für die vorteile von arbeitsteilung angeführt haben (S. 279). hinzu kommen die formulierungsfreude und die fülle an unterhaltsamen anekdoten, die die lektüre über weite strecken zu einem echten lesevergnügen machen.

umso größer ist dann aber die enttäuschung, als sich Graeber der gegenwart annähert. in der mit abstand besten rezensionen von Graebers buch, die mir untergekommen ist, bringt Till van Treeck das problem der letzten 100 seiten auf den punkt:
„Graeber verkennt, bei aller berechtigten Kritik an den „kapitalistischen Imperien“, das emanzipatorische Potenzial einer keynesianisch inspirierten Marktwirtschaft.“

Samstag, August 04, 2012

kapitalistische praxis IX

diesmal: fast food remix

anlässlich eines konferenzaufenthalts im kernland des kapitalismus wird es wiedereinmal zeit für einen eintrag in der serie kapitalistische praxis. Schumpeter zu folge ist ja die wesentliche quelle für das produktive potential des kapitalismus dessen tendenz zu immer neuen rekombinatorischen innovationen. und ganz im sinne von Kirby Ferguson's "everything is a remix" erstreckt sich diese ständige rekombination auch auf die kapitalistischste form der nahrungsmittelaufnahme: fast food. die oben abgebildete und besonders wohlschmeckende form von fast food remix durfte ich heute in Boston kosten.

Dienstag, Juni 12, 2012

"Unter Piraten"

die piratenpartei ist in deutschland das politische thema der stunde. die beiden politikwissenschaftler Christoph Bieber und Claus Leggewie haben nun einen sammelband zum thema mit dem titel "Unter Piraten" (2012, transcript) vorgelegt. online gibt es davon vorerst nur eine leseprobe bestehend aus einleitung samt inhaltsverzeichnis. aus letzterem habe ich erfahren, dass mein gemeinsam mit Kirsten Gollatz verfasster beitrag "Piraten zwischen transnationaler Bewegung und lokalem Phänomen" (Preprint-PDF) den sammelband quasi eröffnen darf. die zentrale these unseres beitrags hat Christoph Bieber in seiner einleitung treffend in einen satz gepackt:
Der Erfolg der Piraten ist nur unter Berücksichtigung der transnationalen Dimension verstehbar, die auf das Zusammenwirken grenzüberschreitender und lokaler Praktiken national rückgebundener Akteure zurückgeht.
da ich selbst bislang noch kein autorInnenexemplar erhalten habe, kann ich über die mehrzahl der übrigen beiträge wenig sagen. der einzige weitere beitrag, den ich dank kontakt zu einer der autorinnen vorab lesen durfte, war aber so interessant, dass er die anschaffung des werks bereits rechtfertigt. wiederum aus der einleitung:

Montag, April 30, 2012

über urheberrecht auf Zeit Online

bei ZEIT Online durfte ich zur aktuellen urheberrechtsdebatte gastkommentieren. im artikel "Urheberrecht darf im Alltag keine Rolle spielen" beziehe ich mich dabei auf das äußerst lesenswerte buch von Philippe Aigrain "Sharing". in dessen klappentext heißt es:
"Sharing starts from a radically different viewpoint, namely that the non-market sharing of digital works is both legitimate and useful. It supports this premise with empirical research, demonstrating that non-market sharing leads to more diversity in the attention given to various works. Taking stock of what we have learnt about the cultural economy in recent years, Sharing sets out the conditions necessary for valuable cultural functions to remain sustainable in this context."
"Sharing" ist Creative-Commons lizenziert und deshalb als PDF-download verfügbar.

Freitag, März 02, 2012

rumänisch

mein letztes jahr bei Eurozine erschienener artikel "Bad for artists: On digitization, remuneration and copyright" wurde jetzt in einer rumänischen übersetzung in "Dilema Veche" (dt. "Altes Dilemma") wiederabgedruckt:
"E rău pentru artişti?"

Freitag, Februar 10, 2012

schuldenprobleme sind verteilungsprobleme

gemeinsam mit Fedor Ruhose durfte ich mich in einem kurzen policy brief (PDF) zum wirtschaftspolitischen thema der stunde auslassen. unter dem titel "schuldenprobleme sind verteilungsprobleme" diskutieren wir dabei folgende zentrale these:
Einen Beitrag zur Stabilität der europäischen Währung und gleichzeitig zur Reduktion von Staatsschulden würde deshalb eine kombinierte Politik von Lohnsteigerungen – insbesondere für untere und mittlere Einkommen – und Steuererhöhungen – insbesondere für Vermögende und Spitzenverdiener – leisten. Das Schöne daran: Es wäre nicht nur wirtschaftlich vernünftig. Es wäre auch (verteilungs)gerecht.
und mit hilfe zweier charts versuchen wir zu zeigen, dass deutschland kein gesamtwirtschaftliches schuldenproblem ...


... sondern ein verteilungsproblem hat ...


... und wie diese beiden probleme zusammenhängen:
Denn die aus Staatsschulden resultierenden Zinserträge verteilen sich äußerst ungleich. 20 Prozent der Bevölkerung verfügen über mehr als 80 Prozent des Gesamtvermögens, während 60 Prozent gemeinsam weniger als 3 Prozent des Gesamtvermögens besitzen (Frick und Grabka 2009 bzw. Abbildung 2). Ein wesentlicher Teil des Vermögens der Besitzenden sind nun Staatsanleihen. Die obersten 20 Prozent erhalten deshalb auch den mit Abstand größten Anteil staatlicher Zinszahlungen.

Donnerstag, Januar 05, 2012

im russischen fernsehen

russia today war vor einiger zeit in Berlin für eine reportage über den wahlerfolg der piratenpartei. über einen blogeintrag sind sie dabei auf mich gestoßen und haben mich 20 minuten zum erfolg der piraten interviewt. circa fünf sekunden davon haben es schließlich in den bericht geschafft: