Rating-Agenturen spielen quasi hochoffiziell die Rolle eines Finanzmarkt-Orakels. Mit Orakeln im antiken Griechenland teilen sie nicht nur den Vorzug einer angesehen-privilegierten Stellung, sondern auch eine Reihe ihrer Probleme: Erstens werden antike wie moderne Orakel von denen beauftragt und ausgehalten – KönigInnen bzw. Firmen – deren Zukunft sie vorhersagen sollen. Allzu kritische Einschätzungen der Lage müssen deshalb entweder unterbleiben oder stark verklausuliert abgegeben werden. Noch im August 2008 bewerteten Standard&Poor’s bzw. Moody’s die Bank Lehmann Brothers mit A bzw. A2 – im September folgte bekanntlich der Konkurs des Instituts.
Zweitens kämpfen Orakel damit, dass ihre Prophezeiungen entweder selbsterfüllend oder selbstbesiegend sein können: Bekanntestes Beispiel einer selbsterfüllenden Prophezeiung ist die legendäre Prophezeiung des Orakels von Delphi, Ödipus werde seinen Vater töten und dessen Gattin – seine Mutter – heiraten. Auf Grund dieser Prophezeiung setzte der Vater seinen Sohn Ödipus in der Wildnis aus und sorgte erst dadurch dafür, dass dieser Jahre später seine Eltern nicht kannte, ihn selbst töten und die eigene Mutter heiraten konnte. Bei Rating-Agenturen können es erst die durch eine Abstufung erhöhten Kosten der Verschuldung sein, die SchuldnerInnen in Zahlungsschwierigkeiten bringen, die ohne Abstufung nie eingetreten wären. Umgekehrt kann eine prognostizierte Niederlage/Bankrott durch entsprechende Gegenmaßnahmen noch abgewendet und die Propheizeiung so Lügen strafen.
Allgemeiner gesprochen liegt das Hauptproblem von Vorhersagen darin, dass sie in die Strategien und Handlungen der AkteurInnen wieder eingehen, und man so auch danach nie wissen kann, ob die Vorhersage richtig war, oder erst selbst zum vorhergesagten Ergebnis geführt hat.
Donnerstag, November 11, 2010
orakeln
"Rating-Agentur macht Politik: S&P orakelt Herabstufung ab 2040(!). @derstandard_at bringt den Schwachsinn trotzdem: http://bit.ly/aXid3g" twittert Jakob Huber. aus diesem anlass möchte ich an dieser stelle auf einen etwas älteren artikel für ben blog der Sektion Acht verweisen, wo ich unter dem titel "Agent(ur)en des Bösen: Orakel der Finanzmärkte" unter anderem folgendes geschrieben habe:
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