Freitag, August 26, 2011

Dirk von Gehlens "Mashup"


als "jetzt" noch jeden montag in gedruckter form als beilage in der Süddeutschen Zeitung erschien, hatte ich ein sogenanntes montags-abo, bekam also nur die montagsausgabe der SZ nach österreich geschickt. überlebt hat vom besten jungen magazin aller zeiten nur die webpräsenz jetzt.de. deren chefredakteur Dirk von Gehlen hat nun kürzlich bei suhrkamp sein buch "Mashup: Lob der Kopie" veröffentlicht. und nachdem ich derzeit ja gerade am WZB zum eng verwandten thema der "public domain" forsche, habe ich mir das werk gleich mal zu gemüte geführt.

und das buch macht seinem titel alle ehre, es ist selbst ein lesenswerter mashup, fast schon eine collage aus erkenntnissen, anekdoten, zitaten und interviews von und mit menschen, die sich mit dem thema kopieren als digitale kulturtechnik beschäftigen. und während im englischen sprachraum bereits eine reihe von lesenswerten büchern zu diesem thema, allen voran von Lawrence Lessig, erschienen sind, ist vergleichbares auf deutsch immer noch mangelware.

soweit, so gut. zwei dinge fand ich bei der lektüre aber dennoch schade. erstens, bei allem "Lob der Kopie", bemüht sich von Gehlen an mehreren stellen zu betonen, dass es ihm um das "kreative Kopieren", und nicht darum gehe, "dem Bruch des Urheberrechts das Wort zu reden" (S. 15). von Gehlen lobt den "schöpferischen Wert des Kopierens", möchte damit aber "keineswegs Urheberrechtsverletzungen rechtfertigen" (S. 13).


mit verlaub, so, wie das urheberrecht derzeit aussieht, ist kreatives kopieren ohne bruch des urheberrechts in vielen, wahrscheinlich sogar den meisten fällen nicht zu haben (vgl mein statement zum urheberrecht bei irights.info: "Neue Formen der Kreativität ermöglichen"). und so ist von Gehlens buch denn auch, obigen beteuerungen zum trotz, genau das: eine rechtfertigung von urheberrechtsverletzungen zum zwecke kreativen kopierens.

ähnlich widersprüchlich auch folgende Stelle:
"In diesem Sinne verstehe ich das Lob der Kopie auch als Streitschrift für einen digitalen Umweltschutz. Denn ähnlich wie im Umgang mit den endlichen Ressourcen der Natur geht es auch bei der Debatte um die Kopie am Ende um die Frage, welche gesellschaftliche Zukunft uns vorschwebt und was wir dafür tun wollen. Diese Herausforderung bei allen berechtigten wirtschaftlichen Interessen nicht aus dem Blick zu verlieren, ist ein Anliegen dieses Buches." (S. 17)
dies suggeriert einen widerspruch zwischen wirtschaftlichen interessen und digitalem umweltschutz, den ich so nicht erkennen kann - eher im gegenteil, die monopolrechte der großen rechteverwerter und softwarekonzerne behindern kleine unternehmen und innovative startups (vgl. in diesem zusammehang das phänomen der "property-preempting investments").

von Gehlens versuch, den begriff des "originals" neu zu denken, kann ich hingegen wieder völlig unterschreiben. ein original ist demnach
"kein binär zu unterscheidendes, solitäres Werk (1), sondern ein in Bezüge und Referenzen verstrickter Prozess (2), und seine skalierte Originalität beruht immer auf Zuschreibungen und Konstruktionen (3), die man mit ihm verbinden will." (S. 174)
meine lieblingsstelle im buch ist aber ein selbstzitat von Gehlens in einer fußnote auf derselben seite, die in eine ähnliche kerbe schlägt, wie mein vortrag auf der Eurozine Conference im Mai diesen Jahres (vgl. "Bad for Artists?"):
"Zunächst wird so eine Kommerzialisierung der Kultur vorangetrieben, die die Frage der Finanzierbarkeit von Kunst auf oberster Ebene abhandelt. Dabei übernehmen die Verteidiger des Althergebrachten neuerdings die Position eines Familien-Patriarchen, der auf den Berufswunsch seines Sohnes, er wolle Künstler werden, lediglich antwortet: 'Und, wie soll sich das rechnen?' Große Werke der Weltliteratur, der Malerei und der Kunst wären nicht entstanden, hätten sich die Söhne und Töchter der aufs Bisherige fixierten Perspektive der Väter gebeugt. Dass sie es nicht getan haben, zeigt, dass Kunst schon immer mit widrigen Bedingungen zu kämpfen hatte - und diese oft auch überwunden hat. Neu ist also nicht, dass Kunst und Kultur sich gegen Widerstände bewähren müssen. Neu ist, dass sie dabei auf eine fast kostenfreie und nahezu grenzenlose Verbreitung zählen können." (s. 174, herv. v. mir)
detail am rande: im buch wird in einem interessanten interview auch der künstlerische leiter der ars electronica, Gerfried Stocker, befragt, vor allem zur ars electronica 2008, wo unter anderem ja auch der "wissensraum linz" im hauptprogramm vertreten war.

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