Montag, Februar 11, 2013

altvorstellung V: "Die Macht der Computer und die Ohnmacht der Vernunft"

in der serie altvorstellung (ausführlicher hier) geht es um bücher, die - obwohl vergriffen oder über 30 jahre alt - es wert sind, gesucht (z.b. über ZVAB) und gelesen zu werden.

diesmal: "Die Macht der Computer und die Ohnmacht der Vernunft" von Joseph Weizenbaum. titel der originalausgabe: "Computer Power and Human Reason. From Judgement to Calculation". vergriffen ist die englische originalausgabe, die deutsche fassung ist noch erhältlich aber alleine deshalb alt genug für diese serie, weil es sich um ein buch zum thema computer handelt.

und tatsächlich ist das buch am rande auch deshalb interessant, weil es zeigt, welche begriffe anfang der 1980er jahre noch alles andere als selbsterklärend waren. so werden beispielsweise "software" und "hardware" jeweils mit einem sternchen versehen und vom übersetzer erläutert. nicht erläutert, sondern übersetzt wurde damals noch das wort "bugs":
"Im Computerjargon ist 'Wanze' ein Programmierfehler."
Weizenbaum zitiert dann auch einen kollegen, der solche wanzen für allgemein vermeidbar hielt, was mich angesichts der übersetzung des zitats bedauern lässt, dass sich wanze nicht als begriff durchgesetzt hat:
"Wahrscheinlich besteht der beste Weg zur Ausschaltung von Wanzen in der Entwicklung wanzenfreier Programmiermethoden. Nichtsdestoweniger sollte das Entwanzen (die Entfernung von Wanzen aus Programmen, J. W.) im Mittelpunkt der Forschungsbemühungen stehen, mit denen wir die Programmiertechnik in den Griff bekommen wollen." (S. 319)
gelesen habe ich das buch, das bereits seit einiger zeit in schön vergilbt-gebrauchter form bei mir zu hause herumlag, aber eigentlich, weil Constanze Kurz es in ihrer FAZ-rezension von "Internet: Segen oder Fluch" als (immer noch) "wegweisend" gelobt hatte. und sie hat völlig recht.

in sämtlichen feldern der aktuellen auseinandersetzungen rund um digitale technologien - von urheberrecht über liquid democracy bis hin zu überwachungstechnologie und dronen - geht es um den kern von Weizenbaums abhandlung:
"Die Grenzen in der Anwendung von Computern lassen sich letztlich nur als Sätze angeben, in denen das Wort 'sollten' vorkommt." (S. 300)
und
"'Können' heißt nicht 'sollen'." (S. 346)
seine kritik am "Imperialismus der instrumentellen Vernunft" ist heute sicher noch genauso, wenn nicht sogar noch aktueller. vor allem aber sind Weizenbaums reflexionen nicht nur für "computerwissenschaftler" sondern ganz allgemein für wissenschaftlich tätige interessant. und gerade deshalb zeitgemäß, weil es in meiner wissenschaftsgeneration eben keinen positivismusstreit gibt, dessen geist das buch von Weizenbaum durchzieht.

schließlich war mir nach der lektüre noch klarer, was ich bei "Internet: Segen oder Fluch" vermisst habe: eine klare haltung. denn Weizenbaum kritisert "technokratische Erlöser" (S. 322) ohne gleichzeitig jeglichem fortschrittsgedanken abzuschwören. sein plädoyer für ein ethisch-fundiertes wissenschaftsprogramm und -handeln macht deren inhärent politischen charakter deutlich.

gerne und nicht nur wegen des kapitels über "zwanghafte Programmierer" (S. 155 ff.) würde man nach der lektüre das buch im wiki der piratenpartei zum download anbieten, jedoch gibt es bislang leider keine e-book-version und auch die Pirate Bay hilft in sachen Joseph Weizenbaum nicht weiter:


bleibt eben doch nur der gang zum totbaumbuchhändler des vertrauens.


1 Kommentar:

Tom Lohninger hat gesagt…

fun fact: in dem Buch "CYBERPUNK: Outlaws and Hackers on the Computer Frontier" von Hafner und Markoff wird, ähnlich wie du es hier beschreibst, der Begriff "download" auch noch mit Fußnote erklärt :)