Montag, Dezember 11, 2006

Suggestivfrage der Woche: "Der Spiegel" und die Löhne


"Sollte der wirtschaftliche Aufschwung zu höheren oder moderaten Lohnerhöhungen führen, um die Konjunktur nicht zu gefährden?" Diese Frage stellte TNS Infratest für den SPIEGEL 1000 Befragten. Wenig überraschend wollten bei dieser Fragestellung 63 Prozent lieber "die Konjunktur nicht gefährden". Schon erstaunlicher ist, dass 32 Prozent der Befragten das Risiko für höhere Löhne lieber doch eingehen würden. Kleines Detail am Rande, ebenfalls zu finden in dieser Spiegelausgabe: Während Deutschland - um "die Konjunktur nicht zu gefährden" - in den letzten zehn Jahren insgesamt einen Reallohnverzicht in Höhe von 0,9 Prozent übte, "riskierten" beispielsweise Schweden und Großbritannien jeweils Reallohnerhöhungen von über 25 (!) Prozent und wurden dafür beide mit Rekordwachstum belohnt.

Mittwoch, März 29, 2006

altvorstellung III

diesmal: "Unternehmensziele als Ideologie: Zur Kritik betriebswirtschaftlicher und organisationstheoretischer Entwürfe einer Theorie der Unternehmungsziele", die 1976 im Verlag Kiepenheuer & Witsch als buch erschienene dissertation von Günther Ortmann. das buch ist aus mehreren gründen such- und lesenswert:

- Günther Ortmann kann ohne übertreibung als einer der angesehensten deutschsprachigen organisationsforscher bezeichnet werden. seine dissertation war aber noch sehr umstritten, da die damals herrschenden ansätze (z.b. anreiz-beitrags-theorie) heftigste kritik einstecken mussten.

- die schärfe, klarheit und direktheit der formulierten kritik imponieren und machen das lesen teilweise zu einem echten vergnügen.

- Ortmann entpuppt sich als forscher mit stark marxistischer vergangenheit.

zur illustration sämtlicher punkte, der letzte absatz des buches als wörtliches zitat:

"Das aber wäre eine Gesellschaft, in der - nach einem Wort von Habermas - Platz nur für zwei sorten von Menschen wäre: Sozialingenieure und Insaßen geschlossener Anstalten. Wen es bei dieser Vision fröstelt, der kommt an einer Auseinandersetzung mit der hier nur angedeuteten Theorie nicht vorbei. Dies nun allerdings versucht die BWL mit subtilen und weniger subtilen Mitteln - sie bedient sich dabei des Totschweigens ebenso geschickt wie der Studien- und Prüfungsordnungen - zu verhindern, obwohl sie von dieser Theorie kaum mehr als den Familiennamen ihres Autors kennt: Marx heißt der Mann."

Montag, März 27, 2006

die große deutsche zeitung

nachdem dieser blog in seiner unregelmäßigen aktualisierung schon drohte zur institutionalisierten litanei über den niedergang deutschen qualitätsjournalismuses an hand des (immer noch) schrecklichen spiegel-beispiels zu werden, soll heute an dieser stelle einmal der große lichtblick der deutschen presselandschaft, "Die Zeit" gewürdigt werden. anlass dafür ist die aktuelle, ziemlich gelungen ausgabe (trotz eines gastkommentars von Hans-Werner "hohepriester des neoliberalismus" Sinn). Folgende online zugänglichen artikel sollen beispielhaft belegen, dass es hoch an der Zeit (kalauer, kalauer) ist, sein Spiegel-abo gegen ein Zeit-Abo einzutauschen (Spiegel-Abo-Kündigungsbestätigung dann einfach umgehend an die Titanic schicken):

"Früher beginnen, später trennen - Plädoyer für einen behutsamen Umbau des deutschen Schulsystems"

"Kinderschwund - na und? - Deutschland ist überbevölkert"

"80 Millionen Verschwender - Ein Energiegipfel soll die Versorgung sichern. Doch wichtiger als neue Kraftwerke sind sparsame Bürger und Unternehmen"

Montag, Januar 23, 2006

"Du bist eine Klowand"

Du bist...
...geklaut!


abgesehen davon, dass die aktuelle "Du bist Deutschland"-kampagne zur stärkung des sinnlos-gefährlichsten gefühls der welt (deutscher hurra-patriotismus) satiriker/innen - und solche die es gerne wären - auf jahre hinaus beschäftigen wird (vgl. die über 200 fotos lange galerie auf flickr), versucht sich der verantwortliche werbe-fuzzi (Jean-Remy von Matt) inzwischen in publikumsbeschimpfung. wie Jens Scholz in seinem blog berichtet, stellte dieser nämlich in einem mail wie folgt fest:

"Vor zwei Wochen startete "Du bist Deutschland", die größte gemeinnützige Kampagne aller Zeiten und ein riesiges Geschenk. Die großen Verlage haben Zeit und Raum im Wert von 35 Millionen Euro geschenkt. 30 Promis der ersten Liga haben Zeit und ihr Gesicht geschenkt. (...)
Das Ziel: Die Miesepetrigkeit bekämpfen.
Der Dank: Miesepetrigkeit. Glücklicherweise nur von den Gruppen, von denen man nichts besseres erwarten konnte:
(...)
2. Von den Weblogs, den Klowänden des Internets. (Was berechtigt eigentlich jeden Computerbesitzer, ungefragt seine Meinung abzusondern? Und die meisten Blogger sondern einfach nur ab. Dieser neue Tiefststand der Meinungsbildung wird deutlich, wenn man unter www.technorati.com eingibt: Du bist Deutschland.)"


was soll ich da noch sagen? zum beispiel, dass ich noch nie so stolz war, meine eigene "klowand des internets" zu haben...

Mittwoch, Januar 11, 2006

kapitalistische praxis III

diesmal: Apple

wenn man menschen nach ihren taten beurteilen soll, dann muss sich der kapitalismus wohl an seinen produkten messen lassen. im falle der firma (oder sollte ich sagen: kapitalistischen kirche) Apple stelle ich mir dann immer die frage, ob es sich hierbei nun um einen kapitalistischen archetypus oder vielmehr um einen kapitalistischen sonderfall handelt. anders ausgedrückt: gibt es Apples ästhetik trotz oder wegen des kapitalismus?

der anlass dieser fragestellung ist die gestrige keynote-speech von Steve Jobs auf der diesjährigen Macworld Expo. die neuen produkte waren zwar nicht besonders überragend, insbesondere der verzicht auf neue iBooks ist doch etwas enttäuschend. wie bei menschen kommt es aber auch bei produkten (und hier wiederum besonders bei laptops) auf kleinigkeiten, auf details an. und folgendes detail des neuen MacBook Pro erklärt besser als ich es in worten je könnte, warum ich mir fragen wie die im ersten absatz dieses eintrags stelle:

Donnerstag, Januar 05, 2006

"quiz-time" einmal anders!

für den kampf gegen den terror gilt natürlich das gleiche wie für den kampf gegen drogen oder den kampf gegen fettsucht: vorsorgen ist besser als nachher hochhausschutt/beschaffungskriminalität/kilos loswerden zu müssen. problematisch ist aber in ersterem fall, dass potentielle selbstmordattentäter/innen in der regel äußerst schwierig im vorhinein zu "enttarnen" sind (außer sie verhalten sich besonders auffällig wie der Hamburger 9/11-attentäter, der nicht nur Atta hieß sondern auch noch als student seine rundfunkgebühr bezahlte).

in baden-württemberg hat das stuttgarter innenministerium für muslimische bewerber/innen um die deutsche staatsbürgerschaft eine möglichkeit gefunden, die spreu vom weizen bzw. die attentäter von den übrigen muslimInnen zu trennen: einfach mal nachfragen. natürlich stellt die behörde hier nicht plumpe fragen wie "Sind Sie ein böser, selbstmordanschlagsbereiter Moslem-Fundamentalist?", sondern geht gefinkelt (um nicht zu sagen: gewitzt) vor. nur exemplarisch zwei besonders hintergründige fragen (den vollen katalog liefert die TAZ):

Frage 22: "Sie erfahren, dass Leute aus Ihrer Nachbarschaft oder aus Ihrem Freundes- oder Bekanntenkreis einen terroristischen Anschlag begangen haben oder planen. Wie verhalten Sie sich? Was tun Sie?"
oder Frage 23: "Sie haben von den Anschlägen am 11. September 2001 in New York und am 11. März 2004 in Madrid gehört. Waren die Täter in Ihren Augen Terroristen oder Freiheitskämpfer? Erläutern Sie Ihre Aussage.

wer amüsante antwortvorschläge für diese und zahlreiche andere fragen lesen will, der wende sich zu diesem zweck (wiedermal) an telepolis, das sich in"Schlagen Sie ihre Frau auch?" mit der stuttgarter gesinnungsprüfung für moslems beschäftigen.

Mittwoch, Januar 04, 2006

vive la france!

während im ansonsten so fortschrittlichen schweden verzweifelte bereits eine eigene piratenpartei gründen, um gegen die kriminalisierung von tauschbörsen-nutzern zu kämpfen, findet sich im französischen parlament sogar eine mehrheit für eine legalisierung von online-tauschbörsen gegen eine monatliche gebühr von EUR 7,-- (web-standard zum thema). ich bin mal gespannt, welche partei in österreich als erste auf die idee kommt, ein vergleichbares modell zu fordern. hoffnungen, dass die SPÖ diese partei sein wird, habe ich allerdings keine...