in der serie altvorstellung (ausführlicher hier) geht es um bücher, die - obwohl vergriffen oder über 30 jahre alt - es wert sind, gesucht (z.b. über ZVAB) und gelesen zu werden.
diesmal: "
Zur Theoriegeschichte der Betriebswirtschaftslehre" von
Sönke Hundt, das 1977 als erster band der reihe "Mitbestimmung - Arbeit - Wirtschaft" im Bund-Verlag Köln erschienen und inzwischen längst vergriffen ist.
auf die idee zur lektüre dieses bands brachte mich ein student der vorlesung "Grundlagen der BWL für den Studiengang VWL Bachelor", dessen frage nach einer kritisch-ideengeschichtlichen aufarbeitung der bwl ich nicht sofort beantworten konnte. ich bin ihm zu dank verpflichtet, weil mich die darauffolgende recherche zu Hundts buch geführt hat.
ähnlich wie das in der
letzten altvorstellung besprochene und vom
positivismusstreit geprägte buch "
Die Macht der Computer und die Ohnmacht der Vernunft" von
Joseph Weizenbaum, ist ausgangspunkt auch hier eine erkenntnistheoretische debatte der 1960er jahre: die Kuhn-Popper-Kontroverse. Hundt nimmt dabei in seiner rekonstruktion der betriebswirtschaftlichen theoriebildung im deutschland des 20. jahrhunderts eine wissenschaftssoziologische perspektive in Kuhnscher tradition ein. vor allem überzeugt ihn dessen argument, dass die herrschende lehre
"die Geschichte des eigenen Faches in der Weise [schreibt], daß sie ihr Paradigma sozusagen nach rückwärts projeziert und die älteren theorien als ihre eigenen Vorläufer jeweils neu interpretiert, so daß die aktuelle Wissenschaft als der Gipfel des Erreichten und Erreichbaren erscheint." (S. 16)
in einem gerade für sozialwissenschaftliche theoriebildung entscheidenden punkt geht Hundt aber über Kuhn hinaus, wenn er die gesellschaftliche bedingtheit paradigmatischer auseinandersetzungen in der wissenschaft betont. besonders eindrücklich wird das bei Hundts würdigung des werks von
Eugen Schmalenbach. dessen wertdiskussion sowie fixkostentheorie versuchte einen beitrag zur (er-)klärung von hyperinflations- und deflationsproblemen zu leisten, mit denen unternehmen im deutschland der zwischenkriegszeit konfrontiert waren. ein zentrales argument Schmalenbachs war beispielsweise, dass die zunahme des fixkostenanteils deflationäre tendenzen verschärft, weil ein hoher fixkostenanteil bei nachfragerückgang strategien der produktionsausweitung impliziert - schließlich werden immer noch deckungsbeiträge erwirtschaftet.