Montag, Dezember 26, 2005

intersubjektive bestätigung

meine persönliche wahrnehmung, dass sich in den letzten jahren nicht nur die journalistische qualität des deutschen nachrichtenmagazins "Der Spiegel" stark verschlechtert, sondern sich auch dessen politische ausrichtung fundamental nach rechts verschoben hat (aktuelles beispiel: die serie über die "goldenen 50er jahre", deren einzige botschaft zu sein scheint, wie durch 48-stunden woche, gewerkschaftlichen lohnverzicht und christlich-konservative werte das deutsche wirtschaftswunder möglich geworden sei), wurde nun von unerwarteter seite eindrucksvoll bestätigt: Andreas Unterberger, größter fan der schwarz-blauen wende und inkarnation eines neoliberalen treppenwitzes - als radikaler verfechter von Schüssels motto "mehr privat, weniger staat" fand er nach seiner "freisetzung" bei der "Presse" zuflucht als chefredakteur des im öffentlichen eigentum stehenden republiks-blattes "Wiener Zeitung" - berichtete in der rubrik "Was ich lese..." im monatsmagazin "Datum" von großer "Lesefreude" bei folgenden druckwerken:

"bei dem in Schärfe und und Weisheit seiner Analyse unübertreffbaren britischen Economist (soweit, so erwartbar, Anm.), bei dem in den letzten Jahren dramatisch verbesserten Spiegel und bei der sensationellsten Neugründung des Medienmakts, bei Cicero."

fazit: "Der Spiegel" hat sich in den letzten jahren tatsächlich vom links-liberalen "Sturmgeschütz der Demokratie" (eigenbeschreibung des verstorbenen gründers und herausgebers Rudolf Augstein) zur rechts-konservativen lieblungslektüre eines Andreas Unterberger entwickelt...

Mittwoch, November 30, 2005

neoliberale horror-show: INSM

die "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft" (INSM) ist als 100-millionen euro schweres propaganda-instrument des arbeitgeberverbandes "Gesamtmetall" ja schon seit längerem ein ekelhaftes beispiel für intelektuell-grausamen sozialdarwinismus. scheinbar gibt es jetzt aber endlich erste gegenbewegungen, wie (zur abwechslung einmal) in einem sehr interessanten telepolis-artikel berichtet wird.

besonders interessant fand ich dabei aber einen hinweis auf eine besonders heftige form der propaganda im schlimmsten wortsinn, von der ich bislang noch nichts mitbekommen hatte: schleichwerbung durch kauf von drehbüchern für seifenopern. die homepage lobbycontrol.de berichtet denn auch folgendes:

"Der Schleichwerbe-Skandal rund um die ARD wird politischer: der Evangelische Pressedienst [berichtet], dass in der ARD-Serie 'Marienhof' vor allem Interessenverbände schleichwerben ließen. Das geht aus einem Prüfbericht des ARD hervor. Danach liess unter anderem die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) im Jahr 2002 für 58 670 Euro das Thema 'Neue soziale Marktwirtschaft' platzieren. Inhaltlich sei es dabei um 'Wirtschaft, schlanker Staat, Steuern etc.' gegangen."

meiner meinung nach erreicht diese form der indoktrinierung schon orwell'sche dimensionen. vielleicht war auch aber bislang einfach (immer noch) viel zu naiv...

Montag, November 21, 2005

zwei links, ein thema

es gibt viele gründe, warum mich religion ziemlich nervt. zum beispiel lässt gerade kardinal Schönborn wiedermal den kreationisten heraushängen.

wenigstens liefert passend dazu ein aktueller artikel im telepolis eine wissenschaftliche grundlage für meine religionsfeindlichkeit.

Sonntag, November 13, 2005

Dobuschido

link zu spiegel vs. linz:

DOBUSCHIDO

Montag, November 07, 2005

schon wieder: "Der Spiegel", diesmal über Linz

"Der Spiegel" informiert über meine heimatstadt LINZ anlässlich des Bushido-prozesses in eben derselben.

zum hintergrund: der deutsche möchtegern-gangsta-rapper Bushido war in eine schlägerei vor einer linzer disco verwickelt, war dann 15 tage in Linz in u-haft und schlachtet diesen vorfall nun nach allen regeln der selbstvermarktungs-kunst aus. soweit, so langweilig. umso spannender dafür, was "Der Spiegel" in seinem bericht in der akteullen ausgabe 44/05 auf seite 197 über Linz recherchiert hat. wortwörtlich schreibt Spiegel-reporter Wolfgang Höbel dort:

"Eigentlich geht man nicht nach Linz in die Disco. Eigentlich geht man überhaupt nicht nach Linz. Linz ist der Arsch der Welt: Chemie, Langeweile, Drogen. Womit man wiederum natürlich nach Linz muss, wenn man im Rap-Geschäft ist, also in die Ghetto-Stadt Österreichs, das Härteste, was Österreich zu bieten hat."

diese beschreibung liefert zwar einige erklärungen (z.B. für meine gelegentlichen wutausbrüche, schließlich heißt es doch: "du kannst einen mann aus dem ghetto holen, aber niemals das ghetto aus einem mann!"), gleichzeitig wirft es aber auch eine ganze menge an fragen auf: wenn Linz "der Arsch der Welt" ist, was ist dann zb. "Lungitz"? wenn Linz die "Ghetto-Stadt Österreichs" ist, was ist dann z.B. Wien-Simmering? wenn Linz "das Härteste (ist), was Österreich zu bieten hat", wie "hart" ist dann österreich auf einer skala von 0 bis Bushido? vielleicht weiß ja jemand die antwort auf diese fragen...

Dienstag, November 01, 2005

zitat zu münteferings rücktritt

Rüdiger Suchsland bringt es in telepolis auf den punkt:

"Einmal mehr erweist sich die deutsche Linke als die dümmste Linke der Welt, die SPD als machtvergessen und im schlimmsten Sinne gesinnungsethisch: Inhalte werden zwar zur Disposition gestellt, aber ohne sich dafür etwas einzuhandeln, starke Personen opfern sich selbst auf dem Altar fragwürdiger vormoderner Werte wie 'Ehre' und 'Konsequenz', eine Strategie ist nicht erkennbar und taktische Positionen werden ohne äußeren Zwang preisgegeben."

im übrigen bin ich der meinung, dass es trotz allem gut für die SPD ist, dass mit Münteferings rücktritt endgültig das ende der "Schröder-clique" eingeleitet ist. natürlich kann niemand garantieren, dass das, was nachkommt, besser ist, aber das kann man nie. Schröder, Müntefering & co hatten ihre chance und sie haben sie vergeigt. dass sie sich jetzt nicht auch noch in ruhe eine ihnen genehme nachfolge "aufbauen" können, ist dementsprechend nur gut. und auch wenn ein als "rechts" bezeichneter Platzeck neuer SPD-chef wird, so ist er nicht wirklich einem flügel oder einer clique zuzurechnen, dazu ist er einfach zu kurz dabei. außerdem wird sich jede/r neue vorsitzende mit Nahles arrangieren müssen.

Montag, Oktober 24, 2005

these zur wahl(beteiligung) in wien

gerfried sperl schreibt in seiner wahl-analyse im "Standard" auf Seite 26 folgendes zur (relativ) niedrigen Wahlbeteiligung von ca. 60 Prozent: "Erschütternd ist die Wahlbeteiligung. Die Nichtwähler sind mit weit über dreißig Prozent gestärkt aus dieser Wahl hervorgegangen und repräsentieren jenen Frust, den die Politik tagtäglich verursacht."

ich halte diese analyse für - gelinde gesagt - unhaltbar. nun gefällt es mir zwar überhaupt nicht, dass so viele menschen leichtfertig auf ein recht verzichten, für dessen erkämpfung unzählige ihr leben gelassen haben. ihnen allen aber "frust über die tagtägliche politik" als gemeinsam-einziges motiv zu unterstellen, ist im allgemeinen und bei dieser wahl im speziellen völlig verfehlt.

provokant und etwas übertrieben zugespitzt würde ich sogar behaupten: die wahlbeteiligung am gestrigen sonntag ist eine folge fortgeschrittener mündigkeit und politischen reflexivität großer teile der wiener bevölkerung.
gegenbeispiel: die wahlbeteiligung ist traditionell in den kleinen landgemeinden mit großer sozialer kontrolle und den seit 100 jahren immer gleichen wahlergebnissen am höchsten. ich glaube nicht, dass diese gemeinden große politische reflexivität und mündigkeit verkörpern. ebenso ist die wahlbeteiligung immer dann am höchsten, wenn "es um etwas geht", d.h. großer veränderungsbedarf oder große weltanschauliche verwerfungen bestehen. in wien war gestern das ergebnis erstens klar und keine partei wollte ernsthat etwas am wiener erfolgsmodell ändern. (das ist vielleicht auch ein fehler, nach der alten regel "success breeds failure", aber das würde hier zu weit führen.) auch folgte aus befragungen von nichtwählerInnen in oberösterreich, dass es meist gerade nicht die frustrierten sind, die auf ihr wahlrecht verzichten, sondern mit der politik im großen und ganzen zufriedene.

fazit: nichtwählerInnentum mag ein zeichen dafür sein, dass menschen generell viele rechte erst dann schätzen und wahrnehmen, wenn sie bedroht sind. das ist natürlich nicht besonders "leiwand". auf die wiener wahl umgelegt könnte das aber auch bedeuten: es sahen einfach die menschen ihre rechte ganz allgemein nicht bedroht. die nichtwählerInnen aber zur gänze ins lager der frustrierten zu verweisen, ist mit sicherheit einfach "bullshit".

Sonntag, Oktober 23, 2005

brechmittel des tages: "Der Spiegel"

dass sich "Der Spiegel" weltanschaulich spätestens mit ableben des gründers Rudolf Augstein hin zu einer neoliberal-bizarren "reformorientierung" verändert hat, ist ebenso ein faktum wie die immer schlechtere journalistische qualität der artikel (der wöchentliche vergleich mit "Der Zeit" macht sicher).

mit der aktuellen ausgabe ist aber ein neuer tiefpunkt erreicht. in deutschland ist es gerade journalistInnen-sport "Hartz VI"-empfängerInnen möglichst pauschal als abzocker und parasiten zu diffamieren.

wer jetzt von einem "sturmgeschütz der demokratie" (Augstein) erwartet, dass es diese propaganda zurechtstutzt, der irrt. im gegenteil, "Der Spiegel" versucht scheinbar in seiner ausgabe nr. 43 die aktuelle "Bild"-kampagne für bildungsbürgerInnen umzusetzen und präsentiert am cover einen Hartz-VI-wurlitzer der auf knopfdruck geld aus zahlreichen leistungen liefert, die alle auf ein zentrales feld mit der aufschrift "Täuschen & Mogeln" verweisen. im heft werden dann auch pflichtschuldig die "tricks der üblen Hartz-IV-Schmarotzer" ("Bild") aufgedeckt. als hätte jemand die "Bild"-schlagzeilen zum thema noch mit einer rahmenstory versehen wollen.

Montag, Oktober 17, 2005

kapitalistische praxis II

diesmal: kapitalistische propaganda

Freitag, Oktober 14, 2005

beginn einer serie: kapitalistische praxis

die serie "kapitalistische praxis" soll sich mit bizarr-banalem aus der, den kapitalismus in den industriellen überflussgesellschaften konstitutierenden, waren- und konsumwelt beschäftigen. und zwar völlig eingedenk dessen, dass jeder beitrag für sich genommen ausdruck der dekadenz des autors/systems ist. diesmal (aus gegebenem anlass): deutsche handy-tarife. mein versuch in berlin einen handy-vertrag abzuschließen endete mit befremdlicher verzweiflung und fassungslosigkeit: trotz universitätsabschluss und langjähriger erfahrung in kapitalistisch-konsumatorischer praxis war es mir unmöglich, aus den vorhandenen prospekten nur ansatzweise die für mich - im falle eines vertragsabschlusses - anfallenden kosten auch nur zu erahnen. meinen ersten versuch bei O2 brach ich an dem punkt ab, als ich auf über einer halben A4-seite in kleinstmöglicher schrift fußnoten von 1 bis ca. 100 mit ergänzungen zu den jeweiligen tarifen nicht entziffern konnte. (wer sich einen kleinen eindruck vom fußnoten-wahnsinn verschaffen möchte, besuche obigen O2-link und scrolle bis zum ende der seite - egal wie groß der bildschirm ist, die fußnoten werden den ganzen bildschirm ausfüllen.) mein zweiter versuch - mit hilfe eines im umgang mit verzweifelten kunden scheinbar erfahrenen verkäufers/universitätsprofessors - bei vodafone brachte da schon mehr klarheit, insbesondere über eine traurige tatsache: österreich ist zumindest in einem bereich noch die insel der seligen, und wenn es nur im bereich des mobilfunks ist. bei vodafone kunde/in werden darf nämlich nur, wer sich für 24 monate bindet. wer glaubt, 50 freiminuten wären klar und deutlich, der/die irrt: die gelten nur ins eigene und ins festnetz. aber "dafür" bekommt man noch 20 minuten mit einer zweiten sim-karte (und damit auch zweiten rufnummer). wer jetzt glaubt, er/sie könne einfach auf diese zweite karte verzichten, weil er/sie diese nicht brauche, der/die irrt schon wieder: man muss sie nehmen und sie will nach 24 monaten auch separat gekündigt werden, sonst läuft der vertrag für diese zweite nummer weiter. wer will, dass die 50 "frei"minuten auch in andere netze gelten, der zahle 5 euro auf die grundgebühr auf und so weiter, fußnote auf fußnote... fazit meiner kleinen (noch nicht abgeschlossenen) qualitativen deutschen handymarkt-studie: ich werde mir ein wertkartenhandy zulegen, hier lassen sich die tarife wenigstens etwas leichter vergleichen.

Donnerstag, September 22, 2005

artikel zur nachwahl in deutschland

wieder in aus telepolis, diesmal aber ein durch und durch interessanter artikel zum deutschen wahlrecht, vor allem für jene, die sich bei jeder deutschen bundestagswahl wieder fragen, wie denn das jetzt mit zweitstimme und überhangsmandaten usw. funktioniert. spannend auch die details über das tragische schicksal eines zitternden CDU-bundestagsabgeordneten:

"Bei der Bundestagswahl 2002 hatte die CDU dort (im Wahlkreis Dresden I, Anm.) 49.638 Zweitstimmen erzielt. Doch diesmal wären schon 41.227 Stimmen zuviel für die CDU. Denn sollte dies geschehen, würde aus einem Überhangmandat ein regulär erzieltes Mandat. Für Cajus Julius Caesar - der Mann heißt wirklich so - , Listenplatz 34 der NRW-CDU, wäre der Bundestagsstuhl damit verloren."

Montag, September 19, 2005

zitat zur wahl in deutschland

Rüdiger Suchsland stellt in der nur teilweise gelungenen (insbesondere hinsichtlich unnötiger interpretationen der körpersprache von angela merkel) analyse des deutschen wahlergebnisses in telepolis in einer randbemerkung über die sinnlosigkeit des nichtwählens fest:

"Wenn keiner gewählt hätte, außer Angela Merkel, hätte die FDP 100 Prozent."

Mittwoch, September 14, 2005

altvorstellung II

diesmal: "Kritischer Rationalismus und Sozialdemokratie" sowie der gleichlautende, zweite band mit dem untertitel "Diskussion und Kritik", beide herausgegeben von Georg Lührs, Thilo Sarrazin, Frithjof Spreer und Manfred Tietzel in den jahren 1975 und 1976.

die beiden bände sind sammlungen von aufsätzen die sich mit dem titelgebenden thema auseinandersetzen. dem anspruch des kritischen rationalismus entsprechend finden sich im zweiten band vor allem kritische beiträge, die aber den ersten band nur wertvoller machen. abseits des hochinteressanten versuchs der anwendung philosophisch-erkenntnistheoretischer theorien auf politische theorie & praxis durch nahmhafte autoren (von Hans Albert über Karl Popper bis hin zu Gerhard Weisser) ist es vor allem die (inzwischen) historische dimension der werke, die sie spannend und aufschlussreich machen.
denn beiträge über die erkenntnistheoretische verortung des Godesberger parteiprogramms der SPD und dessen entstehung verdeutlichen dem/der leser/in die intellektuelle tiefe und schärfe der politischen auseinandersetzung in 60er und 70er jahren des vorigen jahrhunderts. und die ist wiederum nicht nur beeindruckend, sie ist auch geneigt angst zu machen, angesichts der trivial-platten politischen sprechblasen-auseinandersetzungen der gegenwart. da wundert es immer weniger, warum selbst weite teile der SPD noch den haarsträubendsten neoliberalen mythen auf den leim gehen...

racism & capitalism: a reply

mit meiner aussage über das verhältnis von rassismus und kapitalismus habe ich clemens reaktion (clemenska) ja beinahe herausgefordert. soll sein, im folgenden meine replik:

eine verbindung zwischen rassismus und kapitalismus hab ich mit keinem wort in abrede gestellt. sie ist tatsächlich ein faktum. ich habe nur gesagt, dass kapitalismus sowohl rassismus-verstärkende als auch rassismus-vermindernde auswirkungen hat. und nur weil rassismus in einem kapitalistischen system vorkommt, ist das kapitalistische system noch lange nicht die ursache dafür. tatsächlich ist die kapitalistische produktionsweise ein modulator von phänomenen wie rassismus, sexismus & co.

ein beispiel: kapitalistische produktionsformen begünstigen meritokratische elemente. das erhöht in den derzeitigen industrieländern die wahrscheinlichkeit, dass auch die kinder ärmerer, schlechter ausgebildeter menschen weiterhin arm bleiben werden (auf grund schlechter ausbildungsmöglichkeiten, sozio-kulturellen barrieren etc.). gleichzeitig wird es aber einzelnen möglich, klassengrenzen zu überspringen (wie gesagt: nur einzelnen, und auch ihnen gelingt es selten zur gänze, wie Bordieu in seinem werk "Die feinen Unterschiede" sehr schön gezeigt hat). für menschen mit dunkler hautfarbe bedeutet das, dass der kapitalismus ihre schlechte position (als gruppe) tendenziell verfestigt. umgekehrt bekommen aber zumindest einzelne die gelegenheit, aufzusteigen. kein gerechter zustand. aber doch verschieden zu feudalistischen gesellschaften, die nicht einmal einzelnen einen aufstieg ermöglicht haben. der vorhandene rassismus wird eben nicht vom kapitalismus erzeugt, er wird nur beeinflusst. (eine - sehr spekulative - vermutung meinerseits ist sogar, dass mit zunahme meritokratischer strukturen ein gewisser druck entsteht, "unwirtschaftliche verschwendung von humanressourcen", wie sie durch rassismus und sexismus passiert, tendenziell abzubauen.)

das problem bei clemens argumentation ist, dass es phänomene wie rassismus, sexismus und ökologische ausbeutung tendenziell auf den status eines "nebenwiderspruchs" reduziert und das ist einfach falsch. selbst bei einer (utopischen) überwindung der kapitalistischen produktionsweise blieben sämtliche dieser probleme (wenn auch in veränderter form) bestehen. ich plädiere daher dafür, diese phänomene innerhalb des kapitalistischen system mittels geeigneter reformen und maßnahmen zu bekämpfen. dass dieser kampf teilweise eine (gesetzliche) beschränkung/regelung der kapitalistischen produktionsweise bedeuten muss, ist kein widerspruch sondern entspricht dem konzept einer sozialen marktwirtschaft. das beispiel der ökologie hat bewiesen, dass das in großem maße und mit großem erfolg möglich ist (auch wenn der kampf für eine nachhaltige wirtschaft noch lange nicht gewonnen ist).

Dienstag, September 13, 2005

linkspartei-debatte 2

eigentlich wollte ich es ja Dominik gleichtun und auf seine antwort warten, bevor ich meinen senf zu Clemens fortführung der debatte posten wollte. ein klarer fall von patt. um dieses aufzulösen, gehe ich nun mit gutem beispiel voran:

zuallererst kann ich (wiederum) Dominik nur beipflichten: ich bin aus Clemens' post nicht recht schlau geworden. abseits des mir völlig unverständlichen "politics is action, action needs structure, structure is politics". ich meine, ich kannte bisher "structure follows strategy", "structure follows process follows strategy" (beides aus der BWL) und die strukturationstheorie von Giddens: "structure follows action follows structure follows action usw.", also die rekursive dualität von handlung und struktur. mit anderen worten: ja, ich habe dieses "prinzip" ignoriert, vor allem aber deshalb, weil es mir weder bekannt war noch verständlich ist.

zu deinen restlichen punkten: mag sein, dass Marcuse rassismus oder ökologische überlegungen als teil des klassenkampfes bzw. als eine art "nebenwiderspruch" des kapitalistischen grundwiderspruchs gesehen hat. ich halte gerade das aber für, mit verlaub, marxistischen unsinn. es stimmt einfach nicht, dass kapitalismus rassismus erzeugt. in manchen bereichen mag er ihn verstärkt, in anderen aber auch abgeschwächt haben. jedenfalls ist es meiner meinung nach falsch, alles dem "class struggle" ein- und unterzuordnen. ich hoffe, ich habe dich hier nicht völlig falsch interpretiert/verstanden.

zu clemens (enger) definition dessen, was links, teil der linke oder ähnliches ist, kann ich nur sagen, dass ich sie nicht teile. links sein heißt für mich emanzipatorische tätigkeit, gemeinsam mit dem kampf gegen ungerechtigkeiten und hier vor allem für die benachteiligten in einer gesellschaft, wer auch immer diese sein mögen.

und bei clemens aussage "sozialist politics is made by and for the workers" stellt sich für mich zuallerst die frage, ob das als beschreibung oder als forderung gemeint ist, gerade wenn damit die einheit der SPD (!) beschworen und verteidigt werden soll.

zum abschluss nocheinmal zur grundsätzlichen frage: erfordert emanzipatorisch-linke politik eine linke einheitsfront? ich glaube immer noch: nein.
gregor gysi hat in der gestrigen "elefantenrunde" auf ARD halb scherzhaft darauf hingewiesen, dass alleine die entstehung und das antreten der linkspartei zu einem linksruck in der SPD-programmatik geführt hat (stichwort: reichensteuer) und spekuliert, wie groß erst die auswirkung sein könnte, wenn die linkspartei erst im bundestag vertreten sein wird. ich glaube (und hoffe), da ist was wahres dran...

Donnerstag, September 08, 2005

beginn einer serie: altvorstellung.

die serie "altvorstellung" soll in unregelmäßigen abständen (alte) bücher vorstellen, die, obwohl vergriffen, es wert sind, gesucht und gelesen zu werden. um zumindest die suche zu erleichtern, drei möglichkeiten abseits von mühsamer flohmarktsuche:

- das Zentralverzeichnis antiquarischer Bücher ist der beste mir bekannte katalog, vor allem wenn es auch mal englischsprachige werke sein sollen.

- unter antiquario.de finden sich zahlreiche deutsche perlen.

- sollten alle stricke reißen, bleibt immer noch der amazon-marketplace.

so, nach den technischen details zu meiner ersten "altvorstellung":

"The Rise of Meritocracy - 1870-2033" (dt. Titel: "Es lebe die Ungleichheit") von Michael Young ist ein toller sozialwissenschaftlicher roman aus dem Jahr 1958 (dt. 1961), vergleichbar mit Orwells "1984" oder Huxleys "Brave New World", allerdings weniger romanhaft und dafür ein wenig sozialwissenschaftlicher als die beiden letzteren. er selbst nennt sein buch einen "essay on education and equality".

jedenfalls beschreibt Young im rückblick aus dem jahr 2033 wie sich (unter tatkräftiger mithilfe der "sozialistisch/sozialdemokratischen hebamme") im laufe des 20. jahrhunderts im globalen wettbewerb der staaten die meritokratie, i.e. die neue aristokratie der leistungsfähigsten, herausgebildet hat. ein buch, das sich angesichts des gegenwärtigen eliten- und leistungsfetisch besonders gruselig anfühlt. ganz besonders spannend ist es, wie er die (auch) linken konzepte (und imperative) von "chancengleichheit" zu ende denkt und als ihre verwirklichung nur eine neue, viel undurchdringbarere klassengesellschaft nach leistungsfähigkeit zeichnet. für eine echte dystopie ist seine skizze aber fast schon wieder viel zu realistisch...

linkspartei-debatte

zur linkspartei-debatte in den blogs von clemenska und dominik:

gerade die jüngere politische geschichte in österreich hat gezeigt, welch großen einfluss protestparteien erlangen können, auch wenn sie nicht unmittelbar an der regierung sind: bis zur schwarz-blauen regierungsbeteiligung hat eine große koalition die flüchtlings- und ausländerpolitik exekutiert, die jörg haider und seine fpö gefordert haben. warum sollte das nicht auch einer eher linken protestpartei mit sozialer agenda gelingen?

neben dem argument, dass in skandinavien und auch spanien die sozialdemokratie durchaus von der existenz einer linkspartei profitiert (warum nicht mehr minderheitenregierungen mit wechselnden mehrheiten?), glaube ich dass ein erfolg der linkspartei bei den wählerinnen und wählern einen größeren druck auf eine sozial gerechtere (und von hartz IV grundsätzlich verschiedene) politik gerade der spd ausüben würde, als es die schlagkräftigste innerparteiliche opposition jemals tun könnte. und wenn ich mir die sowohl in österreich wie in deutschland sieche innerparteiliche demokratie anschaue, bin ich mir auch gar nicht so sicher, ob eine um jeden preis "einheitliche" linke sooo ein großer vorteil ist.

zum abschluss noch zu clemens vergleich zwischen brandt/schmidt und schröder: ich glaube eben schon, dass - obwohl die situation der kritik von links die gleiche ist - wesentliche unterschiede bestehen. und zwar einerseits im polit-intellektuellen konzept und andererseits in der konkreten politik: während die linke kritik an brandt/schmidt zu großen teilen eine grundsätzliche "es gibt kein richtiges im falschen"-kritik war, aber wenig konkrete vorschläge für bessere politik gebracht hat, kann das von der kritik an schröders agenda 2010 bzw. den hartz-gesetzen nicht behauptet werden. im gegenteil, Schröders politik ist in großen bereichen selbst für den linken realo zum verzweifeln. (siehe dazu: Bofinger, P. (2004): Wir sind besser als wir glauben. Pearson-Verlag)

Dienstag, August 30, 2005

das hat der welt gefehlt: noch ein blog!

wie jeder blog dient auch dieser in erster linie der selbstdarstellung. dass diesem ansinnen mit informationen zum selbst in fotografischer, emotional-befindlicher oder diarischer form am wenigsten entsprochen ist, liegt auf der hand und soll deshalb tunlichst vermieden werden.